Fallstudien
Seit 2016 hat ELIL über 13.000 Menschen geholfen. Im Folgenden beleuchten wir die Geschichten hinter den Zahlen.*
Von Afghanistan nach Deutschland: Das Ringen einer Familie um Familienzusammenführung
Im Jahr 2020 hat ELIL den Fall eines vierzehnjährigen afghanischen Kindes übernommen, das mit seinem Bruder in Deutschland zusammengeführt werden wollte. Die deutsche Dublin-Einheit lehnte den Fall zunächst mit der Begründung ab, dass seine Tante, die in Griechenland Asyl beantragte, die Vormundschaft über ihn hatte. ELIL stellte einen Antrag auf erneute Prüfung und beantragte die Verschiebung der Asylanhörung mit der Begründung, dass der Antrag auf Familienzusammenführung noch nicht abgeschlossen sei.
Die deutsche Dublin-Einheit erteilte eine zweite Ablehnung, und die griechische Dublin-Einheit drängte darauf, den Fall der Familienzusammenführung abzuschließen. ELIL half dabei, einen DNA-Test für das Kind und seinen Bruder zu organisieren, und es wurde ein weiterer Überprüfungsantrag vorbereitet, der durch DNA-Beweise gestützt wurde. Schließlich fällte die deutsche Dublin-Einheit eine positive Entscheidung.
Ein mutmaßlich minderjähriges Kind wird am Telefon interviewt
Ein fünfzehnjähriges Kind wurde bei seiner Ankunft auf Lesbos von den zuständigen Behörden fälschlicherweise als Erwachsener registriert. Obwohl er angab, minderjährig zu sein, wurde er nicht zu einem Altersfeststellungsverfahren überwiesen.
Als ELIL begann, dem Kind zu helfen, war es bereits zu spät, die Altersregistrierung anzufechten. Die einzige Möglichkeit, dies zu tun, bestand darin, den oder die Sachbearbeiter*in während des erstinstanzlichen Interviews darum zu bitten.
Das Gespräch wurde per Telefon und ohne Videoaufzeichnung geführt. Dies erschwerte es dem Sachbearbeiter erheblich, festzustellen, ob der Minderjährige möglicherweise fälschlicherweise als Erwachsener registriert worden war. Unsere Anwältin (female?), die den Antragsteller zu seiner Anhörung begleitete, bestand darauf, dass er minderjährig war, was dazu führte, dass das Kind zur Altersbestimmung überwiesen wurde.
Ein Kind wird nach dem Brand in Moria wieder mit seiner Familie zusammengeführt
Im Jahr 2020 unterstützte ELIL ein unbegleitetes Kind aus Syrien bei seiner Familienzusammenführung mit einem Familienmitglied im Vereinigten Königreich.
Dem Antrag auf Familienzusammenführung wurde stattgegeben, doch bevor der Junge von Moria aus weiterreisen konnte, zerstörte ein Feuer das Lager, sodass er obdachlos und vorübergehend ohne Papiere war. Da der geplante Abreisetermin näher rückte und er keine Papiere hatte, lief das Kind Gefahr, seinen Flug ins Vereinigte Königreich zu verpassen und in einer prekären Situation auf Lesbos festzusitzen.
ELIL setzte sich mit der Polizei und der Asylbehörde in Verbindung, um so schnell wie möglich neue Papiere und eine sichere Unterkunft zu beschaffen. Mit der Unterstützung von ELIL konnte der Junge schließlich zu seiner Familie im Vereinigten Königreich nachziehen.
Ende 2019 wurde ein unbegleitetes Kind bei seiner Ankunft auf Lesbos als Erwachsener registriert und in Haft genommen. ELIL setzte sich mit der Polizei und der griechischen Asylbehörde in Verbindung, begleitete das Kind zu seiner Anhörung und erreichte einen Aufschub und eine Überweisung zur Altersbestimmung. Anschließend legten wir vor Gericht Einspruch gegen die Inhaftierung ein und beriefen uns dabei auf das Wohl des Kindes und darauf, dass im Zweifelsfall immer das Wohl des Kindes im Vordergrund stehen sollte. Nach Gesprächen mit dem Richter wurde das Kind aus der Haft entlassen und in den Minderjährigenbereich des Lagers verlegt.
Sprachbarrieren überwinden
Zu Beginn dieses Jahres unterstützte das ELIL-Team auf Lesbos eine Frau aus Westafrika bei ihrem Asylantrag. Da sie als Überlebende von sexueller Gewalt besonders gefährdet war, wurde sie auch an eine psychologische Betreuung verwiesen, und es wurde ein Antrag auf Unterbringung in einer Unterkunft für Opfer von Menschenhändlern gestellt. Da sie die Staatsangehörigkeit eines Landes besitzt, das auf der Liste der sicheren Herkunftsländer steht, wurde ihr Fall im Rahmen eines beschleunigten Verfahrens geprüft.
Das Interview wurde mehrfach verschoben, weil es schwierig war, eine*n Übersetzer*in für ihre Muttersprache zu finden. Schließlich entschied sich die Frau, die unter unzumutbaren Bedingungen auf unbestimmte Zeit im Lager Mavrovouni leben musste, für eine Anhörung auf Englisch, bei der sie ihren traumatischen Hintergrund in einer Sprache schildern musste, die sie nicht fließend beherrschte.
ELIL stellte ihr eine Anwältin zur Seite, die sie rechtlich unterstützte, in ständigem Kontakt mit der Asylbehörde und den Angestellt*innen des psychologischen Dienstes stand, sie zu der achtstündigen Anhörung begleitete und einen unterstützenden juristischen Bericht vorlegte. Einen Monat später wurde mit unserer Hilfe die geografische Beschränkung aufgehoben, so dass sie die Insel verlassen konnte. Ende Juni erhielt sie den Status als Geflüchtete.
Ein langer Weg zum Status als Geflüchtete
Im Januar 2020 erreichte eine afghanische Frau Lesbos. Sie hatte die Überfahrt mit drei ihrer kleinen Kinder gemacht, während ein viertes, ebenfalls minderjähriges Kind bereits in Deutschland lebte. ELIL unterstützte die Frau bei der Einreichung eines Antrags auf Familienzusammenführung. Der Antrag wurde viermal abgelehnt, die letzte Ablehnung erfolgte im Mai dieses Jahres. Es blieb nur die Möglichkeit, in Griechenland Asyl zu beantragen.
Während dieser Zeit lebte die Familie unter katastrophalen Bedingungen zunächst in Moria und nach der Zerstörung des Lagers durch ein Feuer in der neuen Einrichtung in Mavrovouni. Und dies, obwohl die Mutter an einer Reihe von schweren Krankheiten litt.
Kurz bevor die Familie zu ihrer Asylanhörung erscheinen sollte, erließen die griechischen Behörden einen gemeinsamen Ministerbeschluss, in dem die Türkei als sicheres Land für Menschen aus fünf Ländern, darunter Afghanistan, eingestuft wurde. Die Asylsuchende konnte nicht verstehen, warum sie bei dem Interview, die zu einer Anhörung über die Zulässigkeit von Asylanträgen geworden war, nun ausschließlich Fragen zur Türkei beantworten sollte.
Die Familie bestand diese erste Phase und wurde dann zu einer Anhörung über die Zulässigkeit eingeladen, bei der es um die Gründe für ihre Flucht aus Afghanistan ging. Beide Befragungen wurden online durchgeführt, ohne auf die gesundheitlichen Einschränkungen der Asylsuchenden Rücksicht zu nehmen. Bei beiden Anhörungen war eine ELIL-Anwältin anwesend und wies auf die Krankenakte der Mutter und die psychische Belastung hin, die das vergangene Jahr in den Insellagern für ihre Kinder bedeutet hatte. Letzte Woche wurde der Familie schließlich der Status als Geflüchtete zuerkannt.
*alle Fälle wurden anonymisiert, um die Identität der von uns unterstützten Personen zu schützen.